"Ich bin eine echte Zeitzeugin"
Mit diesen Worten begann Frau Ilka Dildey in der Klasse 3a über ihr Leben in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zu berichten, über die Zeit der Wende und ihre Flucht in den Westen kurz vor dem Mauerfall.
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20 Jahre Mauerfall - die Berichte im Fernsehen und in den Zeitungen rund um den 9.November ließen vermuten, dass es sich hier um ein sehr wichtiges Ereignis handelte.
Doch welche Mauer war gemeint?
Wie groß war diese Mauer?
Wer hatte sie gebaut? Und warum?
Und wer hat sie schließlich wieder zu Fall gebracht?
Das waren Fragen, die im Klassenzimmer auftauchten, als ein Bild aus der Tageszeitung mit der Überschrift "Der Tag, an dem die Mauer fiel" genauer betrachtet wurde.
Das Vorwissen der Kinder war hier noch unterschiedlicher einzuschätzen, als bei allen anderen Themen, die im Unterricht angeschnitten werden. Von recht wagen Vermutungen ("Bestimmt hat Hitler diese Mauer gebaut!") bis hin zu erstaunlich gut (politisch) aufgeklärten Kenntnissen ("Deutschland war einmal zweigeteilt") reichten hier die Beiträge über dieses seltsame Bauwerk. Schon auf der großen Deutschlandkarte fiel es einigen sehr schwer sich zu orientieren. Nach den Erklärungen des Lehrers Herrn Rüttiger war zumindest allen klar, dass vor zwanzig Jahren - "Eure Eltern wissen das noch sehr gut" - unser Land in zwei Teile geteilt war - der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Diese beiden Teile waren durch eine Mauer voneinander getrennt und es war sehr gefährlich, ja sogar tödlich, wenn man diese Mauer überwinden wollte.
Um die anderen Fragen zu beantworten, deren Antwort vom Lehrer teilweise doch recht kompliziert erschienen, bedienten wir uns der Kinderseite des Lohrer Echo. "Paula Print" half uns in diesem Schuljahr schon zum zweiten Mal (das erste Mal bei der Bundestagswahl) etwas mehr Licht in die Angelegenheit zu bringen. Nach Partnerarbeiten und Gruppenarbeit wussten wir, wann die Mauer gebaut wurde, wer sie gebaut hat, warum sie gebaut wurde und wie es schließlich kam, dass sie wieder eingerissen wurde. Jetzt wissen wir sogar, warum Michael Ballack die Rückennummer 13 trägt. (Er war als Dreizehnjähriger bei den Montagsdemonstrationen dabei)
Nachdem Deutschland den Zweiten Weltkrieg verloren hat, beschließen die Siegermächte
Deutschland zu teilen. England sollte den nordwestlichen Teil,
Frankreich einen schmalen Streifen am südwestlichen Rand,
Amerika nahezu den gesamten Süden und die
Sowjetunion den östlichen Teil Deutschlands (daraus wurde die DDR) erhalten.
Diese einzelnen Teile nannte man Besatzungszonen.
Warum wollten so viele Leute eigentlich raus aus der DDR?
Das kann natürlich am besten jemand erklären,
der dort auch gelebt hat und der kurz vor dem Fall
der Mauer noch die Gefahr auf sich genommen hat, zu fliehen.
Ilka Dildey stellte durch mitgebrachte Sachen recht
anschaulich dar, wie sie ihre Kindheit in der DDR verbracht hat.
"Auch wir hatten Schultüten und Poesiealben.
Als Kind war es da eigentlich recht schön. Man hat sich wohl gefühlt."
Das Schulsystem der DDR bestand aus einer 10-jährigen
gemeinsamen Schulzeit mit Ganztagsbetreuung (Hort)
und vielen schulischen Veranstaltungen.
"Wir sind mit dem Kompass gewandert und haben Hütten gebaut",
erzählte sie schwärmerisch von ihrer Schulzeit.
"Man hat nicht das Gefühl gehabt, dass man eingesperrt ist."
Erst als man älter geworden ist hat man gemerkt,
dass man Vieles nicht darf. "Und da ist man schon ins Grübeln gekommen."
Keine Reisen, niemand durfte sagen was er denkt,
man konnte sich nicht einfach ein Auto kaufen (bis zu 18 Jahre Wartezeit!), man konnte sich nicht einfach ein Haus bauen oder eine Wohnung mieten oder ein Geschäft aufmachen oder der Verzicht auf so manche für den Westen selbstverständliche Lebensmittel, wie Südfrüchte, Schokolade oder Kaffee. Auch andere Lebensmittel waren manchmal knapp und "wenn man irgendwo eine Schlange von Menschen gesehen hat, dann hat man sich einfach mal hinten angestellt, ohne dass, man gewusst hat was es da vorne gibt." Das ganze Leben war mehr oder weniger vom Staat vorbestimmt.
Dies veranlasste Frau Dildey noch im Sommer 1989 über Polen, welches ab 1989 Flüchtlinge in den Westen ausreisen ließ,
mit dem Flugzeug nach Westdeutschland
zu fliehen. "Auf dem Weg in die Warschauer Botschaft
haben wir bei jedem , der uns gesehen hat, gedacht,
hoffentlich verrät der uns nicht!"
Sie wurde nicht verraten und lebt heute mit ihrem Mann
und ihren beiden Kindern in Frammersbach.
Herzlichen Dank! Zeitzeugen sind unersetzliche Geschichtsquellen, die lebendig und anschaulich darstellen können, was man aus der Geschichte lernen kann. Mit Frau Dildey gelang es, dieses am Anfang doch recht schwierige Thema, den Kindern ein Stück weit näher zu bringen und zu verstehen, weshalb so viele Leute den Mauerfall auch noch nach 20 Jahren ausgiebig feiern.
Bericht C. Rüttiger und Redaktion und Html K.Peiffer
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